Strukturwandel und Demografie hinterlassen Spuren: Das Ausbildungsjahr 2019 vor einer Bilanz.

Der Ausbildungsstart im August oder September ist schon etwas her, aber im Bereich der IHK Hannover wurden auch im November noch wöchentlich etwa 100 Ausbildungsverträge abgeschlossen – allerdings im selben Umfang auch gelöst. Für Ende des Jahres 2019 rechnet die IHK mit knapp 10 000 neuen Ausbildungsverhältnissen in ihrem Bereich. Das sind rund 3 Prozent weniger als zum gleichen Zeitpunkt 2018, liegt aber in etwa auf dem Niveau der ausgehenden 2000er Jahre. Interessanter als diese leicht sinkende Globalzahl sind aber die längerfristigen Entwicklungen, die sich in einzelnen Branchen und ihren Ausbildungsberufen ausmachen lassen. Dabei sind vier Trends klar auszumachen.

1. Der Strukturwandel in der Automobilindustrie und der Metallindustrie zeigt Wirkung. Die Zahl der Ausbildungsverträge in den Metallberufen und bei den Industriekaufleuten sinkt jeweils um rund 10 Prozent. Hier war in den Vorjahren noch ein Wachstum zu verzeichnen. Korrespondierend zum Strukturwandel steigt hingegen weiter die Zahl der Auszubildenden in den Elektroberufen wie bereits seit vielen Jahren, in diesem Jahr um rund 5 Prozent aus. Der Strukturwandel in der Industrie spiegelt sich also nahezu eins zu eins bei den Ausbildungsverhältnissen: Überspitzt gesagt spart die Industrie bei der Verwaltung und führt die Konstruktion zurück, während Elektro- und IT-Kompetenz aufgebaut werden. Dies gilt regional in besonderer Weise für die Region Hannover.

2. Die Finanzbranche stellt mehr ein – in diesem Jahr. Versicherungen und Banken haben ihre Ausbildungszahlen in den vergangenen drei Jahren jeweils mit zweistelligen Prozentsätzen zurückgefahren. Das ist im Ausbildungsjahr 2019 deutlich anders: Die Zahl der Azubis bei den Versicherungskaufleuten nimmt im Bereich der IHK um 23 Prozent zu, bei den Banken um gut 10 Prozent. Damit wird das Niveau, das sich vor dem Beginn der Nullzinspolitik der EZB und vor der Digitalisierung etabliert hatte, noch klar verfehlt. Aber die Talfahrt ist zunächst gestoppt. Hinein spielt dabei auch die Tatsache, dass es hier um typische Abiturientenberufe geht. Im nächsten Jahr fällt aber bekanntlich wegen der Rückkehr zum Abitur nach neun Gymnasialjahren ein großer Teil des Abi-Jahrgangs aus. Es stehen lediglich die Abiturienten der beruflichen Gymnasien und beispielsweise Absolventen eines Freiwilligen Sozialen Jahres oder Work-and-Travel-Rückkehrer zur Verfügung. Mag sein, dass vorausschauende Unternehmen in diesem Jahr vorgebaut haben.

3. Im Gastgewerbe setzt sich die Entwicklung der letzten Jahre fort. Wiederum sinkt die Zahl der neuen Auszubildenden in den Hotel- und Gastronomieberufen um rund 15 Prozent. Dies liegt nicht an einem mangelnden Ausbildungsplatzangebot, sondern hier spielt die seit zehn Jahren rückläufige Zahl der Schulabsolventen in Verbindung mit einem deutlich größeren Ausbildungsplatzangebot eine dominante Rolle: Diese Berufe haben wie auch die in diesem Jahr erstmals zurückgehenden Ausbildungszahlen in der Logistik besondere Arbeitszeiten und Belastungen, die offenbar bei den Bewerbern weniger attraktiv sind.

4. Starke Alternativen locken – und zwar nicht nur das klassische Studium.
Nicht zu vernachlässigen sind die Alternativen zur klassischen dualen Berufsausbildung. Die Abiturientenmodelle beispielsweise des Handels mit Externenprüfung und Fortbildungsabschluss in Minimalzeit sind weiter hoch beliebt. Die Branche sichert sich mit diesen Angeboten und teils mit dualem Studium ihren Führungskräftenachwuchs. Duale Studiengänge bleiben ebenfalls attraktiv. Es ist aber abzuwarten, ob auch hier ein Umschichten von BWL- und Ingenieurstudiengängen hin zu Mechatronik-, Elektro- und IT Studiengängen stattfindet.

In der Summe steigt das Angebot an Ausbildungsplätzen weiterhin wie schon seit einigen Jahren. Die Angebotsstruktur verschiebt sich dabei in Richtung Elektro und Digitalisierung. Die Jugendlichen können wählerischer sein und sind es auch. Die Sonderwege wie Duales Studium entwickeln sich kontinuierlich weiter. Am unteren Rand der beruflichen Qualifizierung werden in den nächsten Jahren modulare Bildungsbausteine für Personen ab 25 Jahre bedeutsam werden, die an die klassische Duale Ausbildung angelehnt sind und auf die Externenprüfung vorbereiten. Diese Module heißen Teilqualifikationen (TQ). Das Reservoir dieser auf Helferniveau Beschäftigten ist recht groß: immerhin jeder siebte Schulabgänger schließt ohne Ausbildung ab.

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