Vor gut zwei Jahren zog der Teleshoppingsender Pearl.TV aus Baden-Württemberg nach Niedersachsen. In Dassel richtete die Enstyle GmbH ihr Sendezentrum ein, in dem die Verkaufsshows für Elektronikartikel produziert werden. In diesem Jahr liefen die Verkäufe besonders gut.

Eine freudige Begrüßung war das nicht gerade: Kurz nach dem Kauf des früheren Geländes eines Automobilzulieferers im Solling trieben Unbekannte in den Hallen und Verwaltungsgebäuden ihr Unwesen. Der Schaden, für den keine Versicherung aufkam, lag im sechsstelligen Bereich. „Es war praktisch jede Glasscheibe zerstört worden“, erinnert sich Dr. Michael Sichler. Er ist Geschäftsführer der Enstyle GmbH, die vor gut zwei Jahren das Sendezentrum für Pearl.TV aus Buggingen im Südwesten Baden-Württembergs nach Dassel verlegte. An fünf Tagen in der Woche zwischen 12 und 21 Uhr produziert das 40-köpfige Team nun aus Südniedersachsen live das Programm für den Teleshoppingkanal des gleichnamigen Elektronikhändlers.

Pearl, 1989 als Softwarehändler gegründet, verfügt heute über ein Sortiment von rund 16 000 Produkten – von Elektronik, Werkzeug und Autozubehör bis hin zu Wellness- und Lifestyleprodukten, die meist aus Asien importiert werden. Der Jahresumsatz lag 2018 bei rund 145 Mio. Euro. Pearl.TV erreicht seine Zielgruppe über das klassische Fernsehen, aber auch seit einigen Jahren verstärkt über Youtube. Gemessen an den Aufrufen sei man mit den Videomitschnitten dort erfolgreicher als manch großer Privatsender, erklärt der 52-Jährige nicht ohne Stolz.

Dr. Michael Sichler ist Geschäftsführer der Enstyle GmbH, die hinter dem
Teleshoppingsender Pearl.TV steht. Im Sendezentrum in Dassel sind verschiedene
Szenerien fest aufgebaut, so dass nur die Kamera weitergeschoben werden muss. Foto: Georg Thomas

Aber wieso der Umzug nach Dassel? Die Entscheidung fiel nach einer umfassenden Standortanalyse, bei der der Stammsitz im Südwesten mit der Nähe zur Schweiz und seiner Lage in einer starken Wirtschaftsregion sich für Pearl als eher nachteilig erwies. Die Mitte Deutschlands hat nicht nur logistische Vorteile, es gab auch Platz für die Studios, freien und bezahlbaren Wohnraum für die Beschäftigten und verfügbare Fachkräfte. Und die Entscheidung fiel sicher auch leichter, da der Elektronikhändler aus der Insolvenzmasse eines Logistikunternehmens nicht nur das heutige Sendezentrum, sondern auch zwei Logistikstandorte in Eschwege und Gittelde erwerben konnte.

Top Logistik-Lage: Heute bestellt, morgen da

„Wir wollten unbedingt in das Postleitzahlengebiet 37, in die Nähe des Pakethubs in Staufenberg bei Kassel“. Von dort erreichen Pakete ihrer Empfänger in der Regel am nächsten Tag. „Das ist ein unschätzbarer Vorteil dieser Region“, sagt Sichler, der mit seiner Frau und den drei Kindern inzwischen in Dassel wohnt.  Nicht allen sei der Abschied vom sonnenverwöhnten Südwesten leichtgefallen, gibt er zu. Auch die Beschäftigten hätten zunächst gar nicht begeistert reagiert – aber sich letztlich durch die deutlich günstigeren Mieten und Kaufpreise für Wohnungen und Häuser überzeugen lassen. Auch für die Anreise einiger Moderatoren bietet die Lage in der Mitte Deutschlands Vorteile: „Man ist sowohl aus Köln, Hamburg oder Berlin in etwa 2,5 Stunden hier“, merkt der Geschäftsführer an.

Ein Blick in die
Regie des
Shoppingsenders. Foto: Georg Thomas

Fernsehen zu machen, das ist für ihn ein Lebenstraum, der in Erfüllung gegangen ist. Als der Mutterkonzern vor zehn Jahren nach einer Ergänzung für das zurückgehende Katalogversandgeschäft suchte, hatte er die Schnapsidee für den eigenen Verkaufssender. Obwohl die Kosten für den Sendeplatz enorm hoch waren, fand sein Chef die Idee aber auch überaus gut. Hinter den drei großen Teleshoppingkanälen QVC, HSE24, und Channel21 hat sich der Sender aus dem Solling inzwischen in der Branche einen guten Namen gemacht. „Wir machen mit Pearl.TV junges Teleshopping, wir sind weniger angestaubt und haben uns so auch die etwas jüngere Zielgruppe jenseits der 55 Jahre erschlossen“, sagt Sichler. Der typische Teleshopper sei meist eher 60 Jahre und älter. Zu den beliebtesten Sendungen gehören die 5 und 10 Euro Shows, in denen die Moderatorinnen und Moderatoren nur preisgünstige Produkte vorstellen.

In der Corona-Krise hat das Geschäftsmodell noch einmal enormen Auftrieb gewonnen. Der Umsatz stieg allein im April um 300 Prozent und es bestellten plötzlich auch junge Menschen bei Pearl.TV, das sein Programm jederzeit an aktuelle Gegebenheiten anpassen kann. „Wir müssen nicht Mützen und Mäntel verkaufen, wenn es draußen überhaupt nicht winterlich ist“. So sei der Sender auch der erste gewesen, der Masken im Programm und auch auf Lager hatte. „Unsere Einkäufer haben damals einen guten Job gemacht“, erinnert sich der Geschäftsführer.

2020: Außerordentlich gutes Jahr

Für Pearl.TV war 2020 ein außerordentlich gutes Geschäftsjahr, auch wenn sich die Konsumstimmung in den letzten Wochen während des zweiten Lockdowns schon deutlich eingetrübt hat. Viele Menschen hätten Angst, das Geld sitze bei weitem nicht mehr so locker wie noch im November 2019. „Und wir verkaufen im Teleshopping schließlich Produkte, die man eigentlich nicht braucht“. Aktuell sei schon zu bemerken, dass die Menschen mit einer größeren Zurückhaltung kauften und die Durchschnittssumme der Warenkörbe sinke. Deswegen blickt Michael Sichler eher mit Sorgen auf die na?chsten Wochen und Monate. Angesichts der Probleme in vielen anderen Branchen dürfe man sich jedoch nicht beklagen, denn insgesamt profitiert die Teleshopping-Branche natürlich von der aktuellen Situation.

Mitbewerber in Hannover

Mit Channel 21 gibt es seit Oktober 2006 einen weiteren Teleshoppingsender in der Region. Gegründet wurde der Kanal 2001 als RTL Shop in Köln, später zog er nach Hannover.

Internetseite von Pearl.TV

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