Vor zehn Jahren startete die IHK die Arbeitsgruppe Halal und Koscher. Inzwischen umfasst das Netzwerk 260 Unternehmen und ist auch bundesweit eine zentrale Anlaufstelle für produzierende Unternehmen – und zwar über die Lebensmittelbranche hinaus.

Wurde der Markt für Koscher- und Halal-Produkte 2011 in Deutschland allgemein noch als Nische betrachtet, so boomte er bereits in Frankreich und Großbritannien. Seither hat sich in Deutschland einiges getan. Beide Segmente sind heute stark wachsende Märkte. Für viele Konsumenten stehen beide Siegel für besondere, wenn nicht gar gesunde Qualität bei Lebensmitteln. Geht es immer mehr Konsumenten um die Qualitätssteigerung des Produktes, so liegt der Mehrwert der Hersteller beim höheren Preis im Regal.

Die IHK Hannover hat vor zehn Jahren angefangen, das Thema Halal und Koscher intensiv zu begleiten. Am 5. April 2011 fiel mit der Gründungssitzung der Arbeitsgruppe Halal und Koscher der Startschuss. Unternehmensvertreter von Bahlsen, Oetker, Martin Braun Backmittel und Essenzen KG, Molda, Uelzena und Vogeley Großverbraucher-Service nahmen daran teil. Zur Folgesitzung hatte sich die Gruppe bereits verdoppelt, um Unternehmen wie Axxence Aromatic, Transmeat & Schöller, Karl Eidmann, Haus Rabenhorst O. Lauffs, Worlée NaturProdukte, Eggelbusch – ebenso dabei das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft und die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft – Institut für Ernährung und Markt.

Aber wie kam es eigentlich dazu? Mit Blick auf Niedersachsens Kernkompetenz in der Agrar- und Ernährungswirtschaft und dem Wegfall der Centralen Marketing-Gesellschaft der Deutschen Agrarwirtschaft (CMA) 2009 wollte die IHK Hannover die Lücke schließen und organisiert seit 2010 Lebensmittelforen. Diese nahmen internationale Zielmärkte in den Fokus und sollten der niedersächsischen Lebensmittelindustrie dabei helfen, neue Exportmärkte zu erschließen. Während eines Forums im Jahr 2011 stellte die IHK Trendthemen vor. Halal und Koscher gelangte als interessantes Nischenthema auf die Agenda. Schnell war klar, wie groß das Interesse daran war und wie viele Unternehmen schon in diesem Bereich aktiv waren. Unternehmen traten während des Forums an die IHK heran, berichteten über ihre entsprechenden Aktivitäten auf internationalen Märkten, die Herausforderungen und Probleme – und signalisierten den Wunsch nach Unterstützung für ihr Tagesgeschäft. Die Idee zur Arbeitsgruppe Halal und Koscher war geboren.

Die Idee kam in einer IHK-Veranstaltung

„Die Idee zu dieser Arbeitsgruppe kam uns bei der IHK-Veranstaltung ´Gobale Wachstumsmärkte für die Lebensmittelindustrie ´; dort wurde auch mit Koscher-, Halal-Zertifizierung für die Märkte geworben. Doch gab es keine Beschreibungen zu den Anforderungen an die Betriebe, die in dieses Segment einsteigen wollten. Ich hatte schon zwei Jahre Erfahrung in meinem Betrieb bei unseren Lieferanten und auch Kunden sammeln können und wusste um die Hürden, die es geben kann, wenn man so eine Zertifizierung anstrebt. Wir haben der IHK angeboten, unser Wissen zu teilen, einen Workshop anzubieten, in dem interessierte Unternehmen ein Grundgerüst zu Koscher und Halal vermittelt bekommen und auch all die Fragen stellen, die zusammen mit der Zertifizierung auftauchen können“, erinnert sich Norbert Kahmann, Master Specialist Strategic Kosher/Halal Officer bei Symrise in Holzminden. Seitdem begleitet der Experte die Arbeitsgruppe intensiv im Ehrenamt. In der Gründungssitzung kamen Probleme im Halal-und Koscher-Tagesgeschäft auf den Tisch, Unternehmenswünsche wurden diskutiert, Themen für die neue Arbeitsgruppe erarbeitet. Am Ende stellte die IHK das Dach dafür und übernahm die Planung und Organisation von Sitzungen und Seminaren sowie die bundesweite interne und externe Kommunikation und als Kontaktstelle für alle am Thema Interessierten.

Im Fokus stand von Anfang an der intensive Austausch der Industrie, das Aufgreifen von Fragestellungen und Problemen, die Suche nach Lösungen und der Aufbau eines starken Netzwerks in Richtung Zertifizierungsgesellschaften und Politik. Daraus hat sich ein lebhaftes Netzwerk mit sich intensiv und offen austauschenden Mitgliedern entwickelt. Und die Arbeitsgruppe wuchs; immer mehr Fragen und Bitten um Unterstützung bei Halal- und Koscher-Fragen wurden auch von außen an die AG herangetragen. Mitglieder erklärten sich bereit, ihre Expertise – über den üblichen Austausch hinaus – zu teilen und bundesweit zu unterstützen.

Unabhängigkeit ist wichtig

„Das wichtigste am Arbeitskreis ist: Wir sind unabhängig. Wir berufen uns nicht auf einzelne Standards oder Anbieter. Was sich verändert hat, ist unsere Präsenz. Dank der IHK haben wir Verbindungen zu den Verantwortlichen in der Politik und Wirtschaft aufbauen können. Wir werden wahrgenommen und auch eingeladen, um unser Anliegen öffentlich zu machen. Koscher und Halal sind elementare Teile der internationalen Wirtschaft. Es gibt Länder, in die Sie ohne Zertifizierung keine Produkte einführen oder auch keine Märkte erschließen können. Nur wenn Sie wissen: Warum gibt es Koscher- und Halal-Zertifizierung, können Sie das Was und Wie in Ihrem Betrieb implementieren!“, so Norbert Kahmann.

Engagierte sich ursprünglich die Lebensmittelindustrie unter dem Dach der AG, so wurde mit der Zeit Halal und Koscher auch für die Pharmazie, Chemie und Logistik immer interessanter und wichtiger, die Arbeitsgruppe diverser und der Unterstützungsbedarf größer. Heute besteht die ehrenamtliche Expertengruppe um Kahmann aus vier Personen: Wolf-Dieter Borawitz von der Uelzena-Gruppe, Manfred Straninger von der Döhler GmbH und Helge Bruhn, DMK Group, sind im Laufe der letzten Jahre mit ihrem Wissen dazugestoßen. Seither stellen auch sie sich den vielen bundesweiten – oftmals umfassenden und zeitaufwendigen – Detailfragen und Problemen zur Produktion und zum Vertrieb von Halal- und Koscher-Produkten aus der Wirtschaft.

Expertise und Engagement

„Wir sind unseren Experten sehr dankbar für das intensive und zeitaufwändige Engagement, das sie für die Gruppe leisten“, so Tilman Brunner, Abteilungsleiter International der IHK. „Es ist alles andere als selbstverständlich, seine Expertise so stark auch anderen Unternehmen zu Gute kommen zu lassen. Das alles dient dem Ziel, möglichst viele Unternehmen dabei zu unterstützen, die Marktchancen im Halal- und Koscherbereich zu nutzen.“ Über 260 Unternehmen, branchenübergreifend, mit langjährigen einschlägigen Erfahrungen wie auch Interessenten zum Schnuppern sind heute dabei – Tendenz steigend. Zweimal jährlich treffen sich die Mitglieder und Interessenten der AG zum intensiven Austausch und bringen sich auf den aktuellen Stand. Für Interessierte führt die Expertengruppe jährlich mehrmals Seminare zu Halal und Koscher im Produktionsprozess durch. Und das Thema wird immer diffiziler und umfassender. Viele muslimische Länder gehen immer mehr dazu über, ihre eigenen, lokalen Halal-Vorgaben zu erlassen. Vor welchen innerbetrieblichen Herausforderungen und Problemen die deutsche Industrie heute steht, lesen Sie in den kommenden Ausgaben der NW und hier im Web-Magazin.

Info: Die IHK Hannover informiert auf ihrer Website unter www.hannover.ihk.de/halal-koscher umfassend zum Thema. Die nächste Sitzung der IHK-Arbeitsgruppe „Halal und Koscher“ findet am 19. März um 12 Uhr virtuell über Microsoft Teams statt. Interessierte Unternehmensvertreter sind herzlich eingeladen. Am gleichen Tag bietet die IHK vormittags die beiden Seminare „Halal im Produktionsprozess“ und „Koscher im Produktionsprozess“ an. Details zu diesen Veranstaltungen und Anmeldungen jeweils über die IHK-Website. Ansprechpartnerin zum Thema bei der IHK Hannover:
Beate Rausch, Tel. 0511/3107-431, rausch@hannover.ihk.de

 

 

 

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