Im Vorfeld der Landtagswahl organisiert die IHK Hannover zum Austausch zwischen Wirtschaft und Politik in ihrer Region eine Reihe von Wahlarenen. Nach dem Auftakt in Hameln wurde in Nienburg unter anderem äußerst emotional über Bürokratie diskutiert.

Wann bei Veranstaltungen wie der IHK-Wahlarena die Post abgeht, weiß man vorher nicht. In Nienburg war es dieses Thema: Bürokratie. Es ist ein Stachel, der tief sitzt bei den Unternehmerinnen und Unternehmern. Sehr tief. Eine Stimme bei der Wahlarena: „Das frustriert so sehr, dass ich manchmal keine Lust mehr habe, Unternehmer zu sein.“ Oder: „Du hast eine gute Idee und kommst nicht weiter.“ Und zwar wegen teils jahrelanger Genehmigungsverfahren.

Alles wollen Bürokratie abbauen …

Natürlich, Bürokratie muss abgebaut werden: Das waren sich die Landtagskandidaten in der IHK-Wahlarena – als deren Schauplatz kurzfristig das Nienburger Hotel zur Krone eingesprungen war – höchst einig: Dr. Burkhard Bauer (Bündnis90/Grüne), Heinrich Kruse (CDU), Kultusminister Grant Hendrik Tonne (SPD) und Anton van den Born (FDP). Die Diskussion in der iHK-Wahlarena nahm dann aber doch einen bemerkenswerten Verlauf.

… aber geht das in Deutschland überhaupt noch?

Bürokratieabbau? Durchaus provozierend wollte sich Heinrich Kruse nicht auf ein Versprechen dazu einlassen: „Das schafft hier in Deutschland niemand!“ Gleichwohl sprach er sich für Verfahren aus, bei denen die alle Beteiligten im Vorfeld eines Vorhabens zusammenkommen und Hindernisse möglichst gemeinsam ausräumen. Grant Hendrik Tonne hatte das als „niedersächsischen Weg“ bezechnet und als Beispiel auf den Bau der Flüssiggas-Anbindung verwiesen.

Einen neuen Konsens suchen

Tonne ging aber auch auf die Genehmigungsverfahren ein, bei denen die individuellen Einflussmöglichkeiten in den vergangenen Jahren immer weiter ausgebaut wurden und mahnte Änderungen an: „Diesen Deal werden wir neu schnüren müssen.“ Es gehe darum, Rechte Betroffener zu wahren, aber nicht als bloßes Verhinderungsinstrument. Und Tonne brachte noch einen weitere Aspekt in die Diskussion: Wenn gegen jede Entscheidung geklagt werde, führe das dazu, dass sich die Verwaltung drei- oder vierfach absichere.

„Bürokratie steht im Weg.“ Auch das eine Stimme in der Wahlkampfarena. Konkreter: Kommt ein Unternehmer, einer Unternehmerin und stellt einen Antrag. „Geht nicht“, sagt die Verwaltung. Gegenfrage: „Wie denn?“ Abschließende Antwort: „Ich darf nicht beraten.“ Und nicht nur die konstruktive Zusammenarbeit wird vermisst: In Nienburg wehrte man sich auch gegen eine Haltung, die der Wirtschaft durchweg schlechte Absichten unterstellt. Das alles wird umso deutlicher nach gut zwei Jahren Pandemie, in denen Entscheidungen oft einfacher und schneller fielen.

Schnellere Genehmigungsverfahren sieht Burkhard Bauer aber auch als Chance für den schnellere Ausbau regenerativer Energien. Und – ebenso wie Heinrich Kruse – dass Verwaltungsentscheidungen vor allem Planungssicherheit bieten müssten.

Wahlkampfarena in Hameln: ÖPNV verbessern

Wenige Tage vor der Nienburger Wahlkampfarena bot sich in Hameln am 1. September ein denkwürdiges Bild im Hamelner Bahnhof bot, wo die IHK Hannover Unternehmen und Politiker in das dort ansässige Coworkingspace Zedita zum Austausch eingeladen hatte: Vor dem Bahnhofseingang reihten sich Dutzende von Fahrgästen, um im Reisecenter Fahrkarten zu kaufen. Tag 1 nach Ende des 9-Euro-Tickets.

v. l.: Axel Schulz (Vizepräsident der IHK), Hagen Langosch (Bündnis90/Die Grünen), Andreas J. Sörensen (FDP), Moderator Maximilian Wilsmann, Matthias Koch (CDU), Constantin Grosch (SPD). Foto: Barbara Dörmer.

Das Thema Verkehr war dann auch gleich das erste Thema, das der Moderator der Veranstaltung – Maximilian Wilsmann von Radio Aktiv – an diesem Nachmittag bei sonnigen 23 Grad vor rund 20 Unternehmerinnen und Unternehmern zur Diskussion stellte. Constantin Grosch (SPD), Matthias Koch (CDU), Hagen Langosch (Bündnis90/Die Grünen) und Andreas J. Sörensen (FDP) hatten jeweils drei Minuten Zeit, um zu antworten. Bereits bei diesem Thema zeigte sich, dass es für Vieles keine einfachen Lösungen oder Patentrezepte gibt. Verläßliche und gute getaktete S-Bahn-Verbindungen wollten wohl alle Politiker; aber bereits bei der Frage, wer die Verbesserungen im ÖPNV bezahlen soll, teilten sich die Meinungen. Ein Unternehmer forderte geringere Fahrpreise besonders für Azubis und Pendler – auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels.

Auch den Güterverkehr im Blick behalten

So forderte der CDU-Kandidat Matthias Koch, mehr Unternehmen einzubinden, um beim ÖPNV die Leistungen zu verbessern „und vielleicht sogar etwas Geld zu sparen“. Einer Mobilitätsabgabe erteilte er jedoch eine klare Absage. Gegen neue und für die Instandhaltung der vorhandenen Autobahnen sprach sich der mit 21 Jahren jüngste Politiker in der Runde, Hagen Langosch, vom Bündnis90/Die Grünen aus. „Jeder Autobahnkilometer kostet viel Geld, und das kann man anderswo besser einsetzen.“ So brauche man etwa bei den erneuerbaren Energien „mehr Geschwindigkeit“ und die Entbürokratisierung müsse vorangetrieben werden. Eine Unternehmerin forderte, den Güterverkehr beim Thema Verkehr nicht zu vergessen; man könne in einem Flächenland wie Niedersachsen nun mal nicht alle Güter per Bahn transportieren.

Beim Thema Fachkräftemangel wurde der Erhalt der Berufsschulen im Weserbergland kontrovers diskutiert. Ein weiteres Problem in diesem Kontext sah SPD-Kandidat Constantin Gorsch beim Halten der Lehrer an den Berufsschulen vor dem Hintergrund, dass diese im benachbarten Nordrhein-Westfalen deutlich besser bezahlt würden. Einig war man sich in der Runde, dass bei den Schülerinnen und Schülern das Interesse für Mint-Berufe gestärkt werden müsse, und zwar gerade bei den Frauen. Andreas J. Sörensen von der FDP beklagte die Wahlfreiheit von Fächern an den Schulen und forderte, dass diese Fächer bis zum Abitur nicht abgewählt werden dürften. Zum Schluss ging es darum, ob eine Dachmarke „Metropolregion Weserbergland“ helfen könnte.

Auch in Nienburg: Fachkräftemangel und Region

Mit Kultusminister Grant Hendrik Tonne am Tisch nahm die Bildung bei der Nienburger Wahlarena großen Raum ein. Tonne widersprach der auch in Nienburg – hier von Heinrich Kruse – geäußerten Vermutung, es gebe eine Abwanderung von Lehrkräften nach Nordrhein-Westfalen: Die Zahlen sprächen dagegen, so der Minister. FDP-Kandidat Anton van den Born nannte drei Punkte für die Bildungspolitik: Bezahlung der Lehrkräfte angleichen, ihre Arbeitsbedingungen verbessern und insgesamt „mehr Geld in die Hand nehmen.“Auch der Grünen-Politiker Burkhard Bauer will den Lehrerberuf attraktiver machen, warnte aber vor einem Wettbewerb unter den Ländern. Angesichts der explosionsartigen Vermehrung des Wissens sollen aus seiner Sicht Schülerinnen und Schüler mehr angeleitet werden, sich dieses Wissens selbst zu erarbeiten und damit richtig umzugehen.

Berufsorientierung steht bei allen oben

Eine verbesserte Berufsorientierung, wie sie von der IHK gefordert wird, tragen alle Nienburger Kandidaten mit. Burkhard Bauer und Anton van den Born signalisierten grundsätzliche Zustimmung. Heinrich Kruse stellte eine Nienburger Schule als Beispiel heraus, in der nach seinen Worten sehr pragmatisch Interessen und Fähigkeiten abgeklopft werden: Ab der 9. Klasse müssten Schülerinnen und Schüler an die Berufspraxis herangeführt werden, „und zwar in Unternehmen vor Ort, im ländlichen Raum.“ Auch Grant Hendrik Tonne will die Berufsorientierung stärken und berufliche Bildung stärker an den Gymnasien verankern.

Ländlicher Raum? Funklöcher!

Ein Digitalministerium ist aus Sicht von FDP-Kandidat van den Born Pflicht, aber ebenso die Frage der Anbindung: Funklöcher sind ein Thema in Nienburg, die Digitalisierung wesentlich für den ländlichen Raum. Auch Burkhard Bauer zog andere Länder als  Vergleich heran, die in der Fläche hohe Netzabdeckungen haben. Grand Hendrik Tonne, der auch an anderer Stelle für eine starken Staat in der derzeitigen Situation plädierte, sieht die öffentliche Hand auch beim Netzausbau in der Pflicht: „Netzabdeckung muss organisiert werden“, heißt: beispielsweise über Vergaben an die ausbauenden Unternehmen – eine Auffassung, der sich Heinrich Krise anschloss.

Aber die Telekommunikationsnetze sind nicht das einzige Thema: Nicht nur die Verfügbarkeit von Energie, auch die Verteilung war in Nienburg ein Thema. Was ist etwa, wenn man zwar Fotovoltaik auf dem Dach hat, aber den Strom nicht einspeisen kann? Wenn Netze zu gering dimensioniert sind und, so die Befürchtung, „das elfte Auto in der Straße an die Wallbox angeschlossen wird, dann geht im Kühlschrank das Licht aus.“

 

 

Es finden noch weitere Wahlarenen der IHK Hannover statt: 

Hildesheim: 13. September, 18 Uhr
Hannover: 14. September, 17 Uhr
Stadthagen: 19. September, 16 Uhr
Holzminden: 20. September, 18 Uhr:
Anmeldung: www.t1p.de/fg63t

 

 

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