Die EU plant derzeit ein Verbot von Per- und Polyfluoralkylsubstanzen (PFAS), das gravierende Auswirkungen auf die deutsche Wirtschaft hätte. Die IHK Hannover, der VCI und das niedersächsische Wirtschaftsministerium informieren am 29. Juni.

 

Betroffen von einem PFAS-Verbot wären rund 10.000 Stoffe, die für verschiedenste Produkte genutzt und in vielen Bereichen der Wirtschaft eingesetzt werden. PFAS-Produkte können extremen Bedingungen, unter anderem hohen Temperatur- und Druckdifferenzen, widerstehen und dauerhaft die Funktions- und Leistungsfähigkeit sichern.

Die Liste der Produkte, in denen sich PFAS finden, ist fast unübersehbar und umfasst nahezu alle Branchen. Auch Anwendungen, die für die Transformation des Energie- und Verkehrssektors wichtig sind, gehören dazu: Zum Beispiel in der Wasserstoffwirtschaft – PFAS-Polymere in der Membran-Elektrodeneinheit, einer Kernkomponente der Brennstoffzelle. In der Medizintechnik sind Kontaktlinsen, Herzschrittmacher, Stents oder faserbasierte Laserchirurgie betroffen, im Maschinen- und Anlagenbau zum Beispiel Dichtungen oder O-Ringe unter anderem in Notstrom-Diesel-Generatoren. Umfassend betroffen ist auch die Automobilindustrie.

Insgesamt würde sich ein PFAS-Verbot in der jetzt geplanten Form massiv auf die deutsche Wirtschaft auswirken. Denn Stoffe, mit denen man die Per- und Polyfluoralkylsubstanzen ersetzen kann, gibt es in vielen Fällen nicht oder noch nicht. Außerdem muss in vielen Fällen erst ermittelt werden, wo überall PFAS verwendet werden. Es herrscht insbesondere für viele Unternehmen absolute Unklarheit, ob Produzenten von bestimmten Materialien und Vorprodukten PFAS für ihre Fertigung benötigen (als Komponente oder weil sonst die Produktionsanlagen nicht betrieben werden können) – unabhängig davon, ob sie später im Produkt enthalten sind oder nicht. Allerdings wissen viele, weil es bislang nicht von Bedeutung war, nicht einmal, ob in ihren eigenen Anlagen PFAS-Komponenten enthalten sind.

Was die EU-Pläne vorsehen

Die EU will die PFAS-Beschränkungen aufgrund der hohen Widerstandsfähigkeit und damit Lebensdauer dieser Stoffe. Sie zersetzen sich äußerst langsam und werden unter anderem in Zusammenhang mit erhöhten Infektionsrisiken gebracht. Derzeit läuft noch ein Konsultationsverfahren der EU zu den PFAS-Beschränkungen. Mit dem Inkrafttreten einer entsprechenden Verordnung wird 2026 oder 2027 gerechnet. Danach tickt dann die Uhr: Die Übergangszeit beträgt im Regelfall 18 Monate. Danach dürfen PFAS nicht mehr in den Verkehr gebracht, nicht mehr nachproduziert und nicht mehr importiert werden.

Es gibt allerdings Ausnahmen. Für wenige Einsatzgebiete gibt es unbefristete Ausnahmen, zum Beispiel in Pflanzenschutzmitteln. Befristete Ausnahmen von 6½ bis zu 13½ Jahren sieht der Beschränkungsvorschlag nur für einige Verwendungen vor. Die erste greift, wenn PFAS-Alternativen noch zu Ende entwickelt werden müssen, das aber in der Übergangsfrist von 18 Monaten nicht zu schaffen ist. Oder wenn es bereits Alternativen gibt, sie aber nicht in den eineinhalb Jahren in ausreichender Menge zur Verfügung stehen. Dann greift eine Übergangszeit von sechseinhalb Jahren. Eine zweite, noch längere Frist kann relevant werden, wenn keine Alternativen in naher Zukunft oder eine entsprechende Zertifizierung nicht in Sicht sind. Dann bleiben 13 ½ Jahre Zeit, um sich umzustellen.

Wie die Wirtschaft betroffen ist

Die jetzt vorgesehene Regelung setzt die Wirtschaft in mehrfacher Hinsicht unter Druck. Die geplanten Ausnahmen greifen nicht weit genug, sie werden als Tropfen auf den heißen Stein gesehen. Weiter gibt es Entwicklungs- und Produktionszyklen, die gerade in der Automobilindustrie deutlich länger sind als etwa die sechseinhalb Jahre, die als eine der Ausnahmefristen vorgesehen sind. Außerdem werden für so viele Stoffe Alternativen gebraucht, dass für deren Entwicklung Kapazitäten und insbesondere Fachleute nicht ausreichend da sind.

Nur ein Beispiel: Ein Unternehmen nimmt 2025 eine brandneue Produktionsanlage in Betrieb, in der PFAS-Dichtungen oder ähnliche Komponenten eingesetzt werden. Die Anlage könnte 15 oder 20 Jahre laufen. 2035 gehen mehrere PFAS-Dichtungen kaputt, die Maschine kann nicht mehr betrieben werden. Dürfen dann Ersatzteile nicht mehr produziert und in Verkehr gebracht werden, bleibt die Maschine außer Betrieb. Wenn aber Ersatzteile aus einem alternativen Material vorhanden sind, gibt es neues Problem: Die Genehmigung der Anlage ist auf einer anderen Grundlage erteilt worden, die Maschine kann ohne neue Genehmigung auch nicht weiterbetrieben werden.

Von der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) gibt es Handlungsempfehlungen für die Beteiligung an der Konsultation der Europäischen Union und generell für den Umgang mit einem möglichen Verbot. Noch bis zum 25. September dieses Jahreskönnen Unternehmen an der Konsultation teilnehmen und die eigene Betroffenheit deutlich machen.

Was Unternehmen jetzt tun sollten

Die DIHK empfiehlt Unternehmen aktuell folgende Schritte:

  • Analyse der eigenen Produktpalette, der Herstellungsprozesse und der Lieferkette, um die Verwendung von PFAS zu identifizieren
  • Ausnahmeregelungen, wie aktuell vorgesehen, mit Blick auf die eigene Betroffenheit prüfen
  • Auswirkungen und Folgen eines Verbots abschätzen sowie PFAS-Ersatzstoffe bewerten
  • Ergebnisse dieser Bewertungen und Prüfungen im Rahmen der EU-Konsultation einreichen
  • Langfrist-Planung für den Einsatz von PFAS-Ersatzstoffen

 

Eine Veranstaltung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums, des Verbandes der Chemischen Industrie (VCI) Nord und der IHK Hannover informiert Unternehmen über die aktuellen Entwicklungen. In Hannover dabei sind Wirtschaftsminister Olaf Lies und IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt. Die Teilnahme ist kostenfrei; weitere Informationen: www.hannover.ihk.de/pfas

 

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