Mitten im Sommer zieht sich die konjunkturelle Lage in Niedersachen deutlich zu. Ganz besonders für energieintensive Industriebranchen sind die Aussichten sehr trübe. Das zeigt die aktuelle Konjunkturumfrage der IHK Niedersachsen

In großer Breite weisen die Vorzeichen in der niedersächsischen Wirtschaft derzeit nach unten. Der Konjunkturklimaindikator sank im zweiten Quartal 2023 um neun auf 85 Punkte. Auslöser sind vor allem deutlich schlechtere Erwartungen der Unternehmen für die kommenden Monate. Zwar ist die aktuelle Geschäftslage noch zufriedenstellend, trotz eines leichten Abwärtstrends. Grund für die leicht überwiegenden positiven Stimmen ist der immer noch recht hohe Auftragsbestand, erklärte Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen (IHKN), bei der Vorstellung der Zahlen. Aber: „Es kommt weniger nach.“ Die Aufträge reichen aktuell für die kommenden fünf Monate – danach beginnt die Unsicherheit.

Schere geht wieder auseinander

Bielfeldt nannte weitere Hinweise für das sich weiter eintrübende Konjunkturklima. So hätten sowohl nach der Finanz- und Wirtschaftskrise ab 2008 und nach dem Corona-Schock die Geschäftserwartungen jeweils wieder ins Positive gedreht. Das ist in der aktuellen Situation, bestimmt durch den befürchteten Gasmangel und die geopolitischen Verwerfungen, bislang nicht passiert. Im Gegenteil bewegt sich die Schere wieder auseinander: Der Anteil der pessimistisch in die Zukunft blickenden Unternehmen stieg um sieben Prozentpunkte auf jetzt 40 Prozent. Der Anteil der Optimisten dagegen sank von 13 auf neun Prozent. Auch bei den Exporten verschlechtern sich die Erwartungen.

Energieintensive Industriezweige besonders unter Druck

Eindeutige Alarmsignale kommen aus den energieintensiven Industriezweigen: Chemie, Mineralölverarbeitung, Metallerzeugung, Glas, Papier. Während in der Industrie insgesamt die kritischen Stimmen vergleichsweise leicht überwiegen mit einem Positiv-/Negativ-Saldo von minus fünf, liegt dieser Wert bei den besonders auf Energie angewiesenen Branchen bei minus 45: „Sehr, sehr negativ“, so die IHKN-Hauptgeschäftsführerin. Vor Beginn des Krieges in der Ukraine gab es hier kaum Unterschiede bei einer außerdem deutlich positiven Geschäftslage. Die Entwicklung schlägt sich ebenso in den Investitionsplänen nieder: Auch hier klafft eine deutliche Lücke zwischen der Industrie insgesamt und den energieintensiven Zweigen. Neuinvestitionen lohnten sich hier wegen fehlender Wettbewerbsfähigkeit kaum noch, mit der Konsequenz: „Die Branchen fallen zurück“, so Maike Bielfeldt.

Die Bedeutung der Energie schlägt sich auch in der Beurteilung der Risiken für die wirtschaftliche Entwicklung in den kommenden Monaten nieder. Während die Sorge um Energie- und Rohstoffpreise in der Wirtschaft insgesamt etwas abgenommen hat, sieht das in der Industrie anders aus. Hier bleiben die Preise das Top-Risiko: 70 Prozent der Unternehmen sehen das so, und bei den energieintensiven sind es 86 Prozent.

Fachkräftemangel als größtes Risiko

In der Wirtschaft insgesamt liegen die Energie- und Rohstoffpreise jetzt wieder hinter dem Fachkräftemangel: Mit 68 Prozent nennen noch einmal mehr Unternehmen als drei Monate zuvor fehlenden Nachwuchs und Beschäftigungslücken als größtes Risiko. Gleichauf mit den Energie- und Rohstoffpreisen liegen mit ebenfalls 58 Prozent die wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. „Es fehlen Verlässlichkeit und klare Aussagen“, erklärte die IHKN-Chefin.

Bürokratie wird zu einer immer größeren Belastung

Ein weiteres Problem ist die überbordende Bürokratie: Die Vielzahl der oft als realitätsfern eingeschätzten Gesetze und Verordnungen – Lieferketten, Genehmigungsverfahren, PFAS als Beispiele – wird aus Sicht der Unternehmen zu einer immer größeren Last, machte Bielfeldt deutlich: „Wir müssen aufpassen, dass wir die Wirtschaft und insbesondere den Mittelstand in dieser schwierigen Situation der Transformation nicht überfordern. Wir brauchen das Know-how und das finanzielle Potenzial des Mittelstands.“ Bielfeldt forderte Entlastungen der Unternehmen bei den Energiepreisen und schnellere Genehmigungsverfahren und Prozesse: „Ein Klassiker.“

Wenig Helles am Horizont

Und die Lichtblicke? Immerhin hat sich die Konsumneigung etwas erhöht, wenn auch von niedrigem Niveau. Aber auch hier: Die oftmals gezahlten Inflationsprämien seien im Handel noch nicht angekommen; Reallohnverluste der Verbraucherinnen und Verbraucher und die damit erzwungene Sparsamkeit prägen weiterhin die Lage im Einzelhandel. Ähnliches gilt für die Gastronomie, die ebenfalls Zurückhaltung spürt: „Die durchschnittlichen Bon-Summen sind zurückgegangen. Unter Top-Risiken hat auch die Sorge um die Inlandsnachfrage einen Sprung nach oben gemacht.

Belebung durch steigende Zinsen verzeichnen die Banken. Andererseits bremst das wiederum den Hausbau, wenn auch nicht den Tiefbau. Und als Fels in der Brandung bezeichnete Maike Bielfeldt die Dienstleistungsbrache: „IT, Digitalisierung oder Coaching laufen.“

 

IHKN-Konjunkturumfrage: Alles drei Monate befragt die IHK Niedersachsen Unternehmen zur aktuellen wirtschaftlichen Lage. Ausgewertet werden rund 1800 Antworten.

 

 

 

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