Fehlende Fachkräfte, überbordende Bürokratie, Energie: In der Region sind die Probleme, vor denen Unternehmen stehen, nicht anders als in den Zentren. Sie können aber anders ausgeprägt sein. Das wurde beim Jahresempfang der IHK in Nienburg deutlich.

Ganz besonders gilt das vielleicht für die Suche nach Fachkräften. Überall wird das Finden und Binden von Mitarbeitenden immer schwerer. Abseits der größeren Städte gilt es aber, Fachleute zusätzlich von den Vorzügen der Region zu überzeugen – die sie möglicherweise nicht sofort sehen. Jessica Schomburg, Geschäftsführerin der Schlamann Autokrane GmbH, hielt im Gespräch mit IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt fest: Neue Mitarbeitende zu finden, das ist „anstrengend, zeitintensiv und braucht Kreativität.“ Die Suche läuft inzwischen intensiv über neue Medien. Und es reicht nicht nur, als Unternehmen bei Interessenten nachzuhaken, nein: „Man muss es sofort machen!“

Fachkräfte-Talkrunde mit Maike Bielfeldt, Jessica Schomburg und Lars Schäkel.

Rund 80 Beschäftigte arbeiten bei Schlamann an vier Standorten. Bei der frischli Milchwerke GmbH sind es etwa 1000. Aufsichtsrat Lars Schäkel, ebenfalls Gesprächspartner von Maike Bielfeldt beim Thema Fachkräfte, wies auf einen Unterschied hin: Neue Mitarbeitende in der Region zu finden, das sei für frischli weniger schwierig. Die Personalfluktuation ist gering. „Wen wir einmal gewonnen haben, wer hier verwurzelt ist, der bleibt.“ Daher hat man bei frischli auch die Ausbildungsquote erhöht, mit aktuell 50 Azubi-Plätzen. Aber wenn frischli alles Stellen besetzt hat, fehlen sie anderswo, macht Lars Schäkel deutlich: „Es gibt sehr viele Notleidende“, als Unternehmen ohne Azubi-Bewerbungen.

Wenngleich es vor Ort läuft, frischli laut Schäkel in der näheren Umgebung keine Schwierigkeiten bei der Personalsuche hat:  Überregional Spezialisten oder Spezialistinnen zu finden, sie nach Nienburg – genauer: an den Unternehmenssitz nach Rehburg-Loccoum – zu holen, ist keineswegs einfach: „Da müssen wir uns attraktiv machen.“ Etwa mit weitgehenden Homeoffice-Angeboten.

Als kleineres Unternehmen setzt Schlamann auf Nähe: „Die Türen für die Mitarbeitenden sind immer offen“, sagt die Geschäftsführerin Jessica Schomburg. Jahresgespräche gehören dazu, auch Jahresveranstaltungen mit den Familien der Beschäftigten.

Europaministerin Wiebke Osigus.

Bei frischli ein Riesenthema: Flexibilität der Arbeitszeiten: „Da passen wir uns an.“ Sonst würden wir die dringend benötigten Arbeitskräfte nicht bekommen, macht Schäkel deutlich. Der Standort sei für moderne, junge Menschen alles andere als attraktiv: Ein Satz, der sicher nichts für Lokalpatrioten ist, aber aus dem Erfahrungsschatz eines Unternehmers kommt. Auch, wenn Niedersachsens Europa- und Regionalministerium Wiebke Osigus von der „unterschätzten Region Nienburg“ sprach. Osigus war als Gastrednerin beim Jahresempfang. Sie setzte ebenfalls das Thema Fachkräfte ganz nach oben auf die Tagesordnung, lobte das Neustädter Modell zur Berufsorientierung, das in ihrem Wahlkreis an der BBS Neustadt zu Hause ist. Dabei werden allgemein bildender und berufsbildender Unterricht verknüpft. An der Entwicklung dieses Modells war die IHK Hannover beteiligt.

Attraktivität der Region: Osigus sprach auch die Situation der Innenstädte an, zunehmende Leerstände und wegziehende Kundinnen und Kunden. Dem müsse man begegnen, durch Erreichbarkeit und Aufenthaltsqualität. Wobei das für alle Städte gilt. In der Fläche geht es aber auch um Mobilität, fügte die Ministerin hinzu.

IHK-Präsident Gerhard Oppermann nahm sich das Thema Energie vor. „So können, so dürfen wir nicht weitermachen“, sagte er mit Blick auf das Energiewendebarometer des DIHK. Danach sehen Unternehmen die aktuelle Energiepolitik als Transformationshemmer und sehen ihre Wettbewerbsfähigkeit gefährdet: Oppermann warnte davor, dass Unternehmen in dieser Situation abwandern könnten.

IHK-Chefin Maike Bielfeldt.

Den Arbeits- und Fachkräftemangel werde man ohne Menschen, die aus dem Ausland zu uns kommen, nicht bewältigen können, sagte Oppermann und wies auf die Aktivitäten der IHK hin, insbesondere bei der Anerkennung ausländischer Qualifikationen und den Projekten, um Jugendliche aus Spanien für Ausbildung oder Arbeit in Deutschland zu gewinnen. Zur Bewältigung der aktuellen Herausforderungen forderte Oppermann ein stärkeres Zusammenwirken Wirtschaft und Politik, Verwaltung und Wissenschaft: „Es wird nur gemeinsam gehen.“

Ein Zeichen des Zusammenhalts noch anderer Art setzte Lorenz Kiene, Vorsitzender des IHK-Wirtschaftsausschusses Nienburg: Er bekannte sich als Europäer: „Was wir brauchen, ist ein starkes Europa.“ Er forderte Sachpolitik als Mittel gegen den Vertrauensverlust und bezog das ausdrücklich auf die Energie: Wenn in Nienburg eine Produktion von E-Fuels aufgebaut werden, ist das auch ein Signal aus der Region in die Welt.

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