Das novellierte Fachkräfteeinwanderungsgesetz schafft Erleichterungen bei bereits bestehenden Möglichkeiten, Fachkräfte aus Drittstaaten zu beschäftigen. Es kommen aber auch ganz neue Wege hinzu. Ein Überblick.

In der Praxis stieß das Fachkräfteeinwanderungsgesetz von 2020 auf verschiedene Probleme, die nun mit der aktuellen Reform angegangen werden sollen. Mit dem „Gesetz zur Weiterentwicklung der Fachkräfteeinwanderung“, das im August 2023 verkündet wurde und schrittweise in Kraft tritt, will die Bundesregierung die Hürden für die Einwanderung von Fachkräften aus Ländern außerhalb der EU weiter senken. Unternehmen erhalten neue Möglichkeiten, Fachkräfte aus Drittstatten zu beschäftigen. Die ersten gesetzlichen Änderungen traten bereits im November 2023 und am 1. März dieses Jahres in Kraft. Im Juni folgen weitere Anpassungen. Die Fachkräfteeinwanderung soll nach dem Willen der Bundesregierung von drei „Säulen“ getragen werden (siehe Abbildung S. 39). Dabei spielen die Qualifikation, die Berufserfahrung sowie das Potenzial auf dem deutschen Arbeitsmarkt eine zentrale Rolle. Mit einer Ausnahme gilt: Die Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation, ein Arbeitsplatzangebot und teils auch deutsche Sprachkenntnisse sind weiterhin maßgebliche Voraussetzungen, damit Menschen aus Drittstaaten in die Unternehmen kommen können.

Fachkräftesäule: Mit Anerkennung Arbeit in jedem IHK-Beruf ausüben
Die Fachkräftesäule soll weiter das zentrale Element der Fachkräfteeinwanderung sein. Hier sind insbesondere Fachkräfte aus Drittstaaten gemeint, die im Ausland ein Hochschulstudium abgeschlossen haben, das in Deutschland anerkannt ist oder eine im Herkunftsland staatlich anerkannte ausländische Berufsqualifikation erworben haben, die im Rahmen eines Berufsanerkennungsverfahrens als voll gleichwertig mit einem deutschen Berufsabschluss angesehen wird. Neu ist seit November 2023, dass Fachkräfte mit anerkanntem Abschluss jetzt jede qualifizierte Beschäftigung ausüben können, die Beschäftigung also nicht mehr im fachlichen Zusammenhang mit der Berufsqualifikation stehen muss. Dies gilt allerdings nur für die so genannten nicht-reglementierten Berufe, für die keine Berufsausübungserlaubnis notwendig ist – so zum Beispiel für die IHK-Berufe. Für die Einreise sind im Wesentlichen ein Arbeitsplatzangebot bzw. -vertrag und die Anerkennungsnachweise erforderlich. Personen mit Bescheid über die teilweise Gleichwertigkeit im Anerkennungsverfahren, denen schwerpunktmäßig Fähigkeiten in der betrieblichen Praxis fehlen, haben zum Zweck der Berufsanerkennung in Deutschland nun zwei Optionen: Sie können künftig – wie bisher auch – entweder zur Durchführung einer Qualifizierungsmaßnahme  Fachkräftesäule) oder im Rahmen einer Anerkennungspartnerschaft (siehe Erfahrungssäule) einreisen. Dafür sind ein entsprechendes Arbeitsplatzangebot und Sprachkenntnisse auf A2-Niveau erforderlich.

Ebenfalls greifen bereits seit November 2023 wichtige Erleichterungen bei der Blauen Karte EU. Sie ist ein besonderer Aufenthaltstitel für ausländische Akademikerinnen und Akademiker oder Personen mit vergleichbarem Qualifikationsniveau, die in Deutschland eine qualifizierte Beschäftigung aufnehmen wollen. Diese bietet nun erweiterte Einwanderungsmöglichkeiten: Die Gehaltsschwellen wurden auf 45300 Euro (50 Prozent der Beitragsbemessungsgrenze in der Rentenversicherung (BBG RV) im Jahr 2024) beziehungsweise für Engpassberufe und Berufsanfänger auf 41041,80 Euro (45,3 Prozent BBG RV) abgesenkt. Zudem wurde der Geltungsbereich der „Blauen Karte EU“ von Hochschulabschlüsse auf äquivalente Abschlüsse wie Meister/in, Fachwirt/in, Techniker/in, Erzieher/in sowie auf berufserfahrene IT-Spezialistinnen und -Spezialisten ausgeweitet. Menschen mit einer „Blauen Karte EU“ müssen eine ihrer Qualifikation angemessene
Beschäftigung ausüben. Wie bisher können auch junge Menschen einreisen, die in Deutschland eine Ausbildung absolvieren möchten und bereits einen Ausbildungsvertrag mit einem Unternehmen haben. Neu ist, dass seit 1. März die Vorrangprüfung durch die Bundesagentur für Arbeit – also die Prüfung, ob es bevorrechtigte ausbildungssuchende Personen in Deutschland gibt – abgeschafft wurde. Weiterhin sind jetzt bei allen Berufsausbildungen Nebenbeschäftigungen von bis zu 20 Stunden pro Woche möglich.

Erfahrungssäule: Berufserfahrene kommen ohne Anerkennung aus
Ebenfalls seit März können Fachkräfte auch ohne formale Anerkennung der ausländischen Berufsqualifikation in Deutschland in nicht-reglementierten Berufen beschäftigt werden. Allerdings muss ein Berufs- oder Hochschulabschluss vorhanden sein, der im Herkunftsland staatlich anerkannt ist. Für den Berufsabschluss
gilt, dass ihm eine Ausbildungsdauer von mindestens zwei Jahren zugrunde liegen muss. Zu den genannten Voraussetzungen hinsichtlich der Abschlüsse wird eine Bestätigung der Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB) benötigt.
Der Antrag dazu soll digital erfolgen. Dies wird aber voraussichtlich erst ab Ende April möglich sein. Alternativ zu einem staatlich anerkannten Abschluss ist unter bestimmten Voraussetzungen ein Abschluss einer deutschen Auslandshandelskammer (AHK) ausreichend. Neben den Anforderungen an die Qualifikation müssen mindestens zwei Jahre qualifizierte Berufserfahrung innerhalb der letzten fünf Jahre und ein konkretes Arbeitsplatzangebot nachgewiesen werden. Die Berufserfahrung muss in einem inhaltlichen Zusammenhang zu dem Beruf stehen, der in Deutschland ausgeübt werden soll. Und das Arbeitsplatzangebot in Deutschland muss ein Bruttojahresgehalt von mindestens 40770 Euro (45 Prozent der BBG RV im Jahr 2024) enthalten, wobei tarifgebundene Unternehmen im Rahmen des Tarifvertrags nach unten abweichen dürfen. Berufserfahrene IT-Spezialistinnen und -Spezialisten müssen nur die einschlägige Berufserfahrung, aber keinen Abschluss nachweisen.
In die Erfahrungssäule wurde daneben die so genannte Anerkennungspartnerschaft aufgenommen: Das Anerkennungsverfahren kann nun vollständig in Deutschland durchgeführt werden, wenn die ausländische Fachkraft und das Unternehmen sich mit einer schriftlichen Vereinbarung verpflichten, es unverzüglich nach der Einreise zu starten und eine möglicherweise erforderliche Anpassungsqualifizierung durchzuführen. Derweil kann die  ausländische Fachkraft im Unternehmen eine einschlägige qualifizierte Beschäftigung ausüben. Grundvoraussetzungen für die Anerkennungspartnerschaft sind – neben dem Arbeitsvertrag – das Vorliegen einer Berufsqualifikation, die eine mindestens zweijährige Ausbildung erfordert hat oder eines Hochschulabschlusses – beides muss vom jeweiligen Herkunftsland anerkannt sein -, sowie deutsche Sprachkenntnisse auf A2-Niveau. Auch hier wird für den Visumsantrag eine positive Auskunft zur Berufsqualifikation von der ZAB benötigt.

Potenzialsäule: Chancenkarte für Einreise zur Arbeitsplatzsuche
Ab Juni dieses Jahres wird eine Chancenkarte eingeführt, um für maximal ein Jahr nach einem Arbeitsplatz in Deutschland zu suchen. Fachkräfte mit voller Berufsanerkennung erhalten in jedem Fall eine Chancenkarte, wenn ihr Lebensunterhalt während der Aufenthaltszeit gesichert ist. Alle anderen müssen einen im Herkunftsland staatlich anerkannten Abschluss (mindestens zweijährig) oder ein geeignetes AHK-Zertifikat besitzen, Deutschkenntnisse auf A1-Niveau oder Englischkenntnisse auf B2-Niveau vorweisen und auch hier muss der Lebensunterhalt gesichert sein. Wenn diese Voraussetzungen vorliegen, können für Kriterien wie
Sprachkenntnisse, Berufserfahrung, Alter und Deutschlandbezug unterschiedliche Punkte gesammelt werden. Um die Chancenkarte zu erhalten, müssen mindestens
sechs Punkte erreicht werden. Die Chancenkarte bietet während des Aufenthalts in Deutschland Möglichkeiten zur Probearbeit (2 Wochen) sowie Nebenbeschäftigung im Umfang von 20 Stunden in der Woche. Auch zum Zweck der Ausbildungsplatzsuche können Drittstaatsangehörige weiterhin einreisen. Schon seit 1. März wurde die Altersgrenze von 25 auf 35 Jahre angehoben und die Anforderungen für deutsche Sprachkenntnisse wurden auf das Niveau B1 abgesenkt. Auch hier sind Probe- sowie Nebenbeschäftigung möglich.

Westbalkanregelung erleichtert Arbeiten in Deutschland
Im Rahmen der Westbalkan-Regelung können Menschen aus den sechs Westbalkan-Staaten Albanien, Bosnien und Herzegowina, Kosovo, Montenegro, Republik Nordmazedonien sowie Serbien auch ohne Nachweis einer Qualifikation in nicht-reglementierten Berufen in Deutschland arbeiten. Die Regelung, die ursprünglich bis Ende 2023 befristet war,  wurde entfristet. Ab Juni 2024 wird das Kontingent von 25000 auf 50000 Personen pro Jahr verdoppelt. Neben der Westbalkanregelung ist zudem seit wenigen Wochen die kurzzeitige Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen möglich. Im Rahmen von Kontingenten, die die Bundesagentur für Arbeit (BA) für bestimmte Wirtschaftszweige oder Berufsgruppen festlegen kann, können Personen unabhängig von ihrer Qualifikation unter bestimmten Voraussetzungen mit einer regelmäßigen Wochenarbeitszeit von mindestens 30 Stunden für maximal acht Monate innerhalb von zwölf Monaten befristet beschäftigt werden.

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