Im September starten noch einmal viele junge Menschen in die Lehre. Zeit für eine erste Zwischenbilanz des Ausbildungsjahres. Aber auch jetzt können junge Menschen noch in die Lehre einsteigen.

Zwischenbilanz: Am 1. August, in vielen Unternehmen Termin für den Ausbildungsstart, waren bei der IHK Hannover rund 8650 Ausbildungsverträge für das laufende Jahr eingetragen. Ein Minus von 0,3 Prozent gegenüber dem gleichen Stichtag 2018, was unter dem Strich aus Sicht der IHK bedeutet: Trotz weiter rückläufiger Bewerberzahlen bleibt die Lage am Ausbildungsmarkt im Bereich der IHK Hannover weitgehend stabil auf Vorjahresniveau. Technische Berufe sind seit Jahren im Aufwind und legen auch in diesem Jahr leicht mit 0,5 Prozent auf rund 2800 Ausbildungsverträge zu. Bei den kaufmännischen Berufen wurden 5850 Verträge neu abgeschlossen, das entspricht einem leichten Rückgang um 0,7 Prozent.

Auch während des vergangenen Monats erreichten jede Woche zwischen 200 und 300 weitere Ausbildungsverträge die IHK – manche bereits für 2020, aber andere für den 1. September, ebenfalls ein klassischer Termin für den Ausbildungsbeginn in vielen Unternehmen. Nach Beobachtung der IHK verlagert sich Starttermin aktuell sogar stärker in den September und die Folgemonate.

Für das Ausbildungsjahr 2019 erwartet die IHK Hannover insgesamt rund 10 000 neue Ausbildungsverhältnisse. Auch das entspräche etwa der Zahl des Vorjahres und liegt ebenso im Bundestrend. Trotz der demografischen Entwicklung und obwohles nach wie vor viele junge Menschen an die Hochschulen zieht, ist nach Angaben des Deutschen Industrie- und Handelskammertages der Abwärtstrend bei den Ausbildungsverträgen deutschlandweit vorerst gestoppt. Das geht aus der Mitte August veröffentlichten IHK-Ausbildungsumfrage hervor. Bereits im letzten Jahr wurden trotz rückläufiger Schülerzahlen bundesweit mehr Ausbildungsverträge geschlossen, und 2019 blieb die Zahl der Ausbildungsverträge stabil.

„Die weitgehend stabile Situation am Ausbildungsmarkt darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Unternehmen große Probleme haben, geeignete Bewerber zu finden“, sagt Dr. Horst Schrage, Hauptgeschäftsführer der IHK Hannover. „Wir haben bereits von über einem Viertel unserer Unternehmen die Rückmeldung, dass sie ihre Ausbildungsplätze nicht voll besetzen können.“ Das sieht bundesweit noch schlechter aus. 2017 und 2018 hatte jeweils ein Drittel der Unternehmen Probleme, alle Lehrstellen zu besetzen. Und fast jedes zehnte Unternehmen hat im vergangenen Jahr überhaupt keine Azubi-Bewerbung erhalten. Diese Zahl hat sich seit 2012 nahezu verfünffacht.

Aber: „Im Wettbewerb um den Fachkräftenachwuchs gibt es innerhalb der Wirtschaft Gewinner und Verlierer“, analysiert DIHK-Experte Achim Dercks. Sowohl der Aerzener Antriebspezialist Lenze als auch der Göttinger Pharma- und Laborzulieferer Sartorius melden 2019 Ausbildungsrekorde. Bei Sartorius gingen für das aktuelle Ausbildungsjahr 1600 Bewerbungen ein, 58 junge Leute wurden ausgewählt. Und der Konzern kündigte bereits eine weitere, deutliche Steigerung der Ausbildungszahlen für das kommende Jahr an – auch wenn dann wegen der Rückkehr zum Abitur nach 13 Jahren der Abi-Jahrgang in Niedersachsen voraussichtlich um zwei Drittel kleiner ausfällt. Man bilde bedarfsorientiert aus und habe schon früh auf die Situation im kommenden Jahr reagiert, sagt Petra Kirchhoff, Leiterin der Unternehmenskommunikation: „So haben wir die Ausbildungsplätze früher als sonst ausgeschrieben, unser Marketing verstärkt und den Bewerbungsprozess beschleunigt.“ Bei Sartorius betrachtet man 2020 als Vorgeschmack auf das, worauf man sich mittelfristig ohnehin einstellen müsse: „In Göttingen wird es 2030 voraussichtlich etwa 20 Prozent weniger junge Menschen zwischen 19 und 23 geben, in Guxhagen wird der Rückgang sogar noch höher sein.“ Auch bei den Sartorius-Ausbildungsberufen werde das zu einem Angebotsmarkt führen, so Kirchhoff. Dem begegnet das Unternehmen durch Investitionen in die Attraktivität der Ausbildung: „Hervorragende Übernahmechancen, interessante Karrierepfade in einer spannenden Branche. Wer möchte, kann im Ausland arbeiten.“ Mit flexiblen Arbeitsbedingungen komme man den Bedürfnissen der jungen Generation entgegen: „Dass Ausbildungsplätze nicht besetzt werden können, erwarten wir für die absehbare Zukunft nicht“, sagt die Kommunikationschefin.

Auch bei Lenze starteten in diesem Jahr mit 43 Auszubildenden so viele wie noch nie. Das Unternehmen erwartet ebenfalls 2020 keine unbesetzten Lehrstellen,trotz weniger Abiturienten im Land. Das Unternehmen setzt dabei auf viele Faktoren: Der Antriebsspezialist ist auch jenseits der Landesgrenze in Nordrhein-Westfalen präsent, entsprechend kommen von dort Bewerbungen. Die Chancen für Realschüler werden sich verbessern, und auch Bewerbungen von Studienabbrechern sind gefragt. Außerdem sucht das renommierte Technologieunternehmen mit enger Bindung zur Region Nachwuchs in gefragten Ausbildungsberufen: Das Minus bei den Abiturienten wird sich an anderer Stelle bemerkbar machen.

Bundesweit bilden immer mehr Unternehmen im IHK-Bereich Geflüchtete aus. Derzeit sind es rund 16 Prozent der ausbildenden Unternehmen gegenüber 14 und 7 Prozent in den beiden Vorjahren. Hochgerechnet bedeutet dies, dass momentan rund 25 000 Geflüchtete in einem IHK-Beruf ausgebildet werden, besonders in der Gastronomie, dem Bau- und Verkehrsgewerbe. Auch in Göttingen bei Sartorius haben erneut drei junge Menschen, die aus ihren Heimatländern nach Deutschland geflüchtet sind, eine Ausbildung begonnen. Im Rahmen einer 2015 gestarteten Initiative, mit der sich Sartorius für die Integration von Geflüchteten in die Arbeitswelt engagiert, absolvierten die drei bereits ein Praktikum im Unternehmen, nun haben sie sich für eine Ausbildung qualifiziert. Eine spezielle Unterstützung erhalten sie in Form berufsbegleitender Maßnahmen wie Deutschunterricht und einer ergänzenden Prüfungsvorbereitung.

Ein weiteres aktuelles Thema: Digitalisierung. „Azubis können hier einen ganz wichtigen Beitrag leisten“, sagt Achim Dercks. So verwundert es nicht, dass für 77 Prozent der Unternehmen IT-Kenntnisse der Jugendlichen ein wichtiges Einstellungskriterium sind.

Positiv entwickelt hat sich das neue Berufsbild „Kaufmann/-frau im E-Commerce“. Mit über 40 neuen Ausbildungsverträgen allein bei der IHK Hannover legt die jüngste, im Jahr 2018 gestartete IHK-Ausbildung mit einem Plus von 23 Prozent kräftig zu. Voraussichtlich werden neben Hannover weitere Berufsschulstandorte, etwa Hildesheim und Göttingen, in diese Ausbildung einsteigen.

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