Die Integration von Menschen mit ausländischen Wurzeln in den deutschen Arbeitsmarkt ist eine besondere Herausforderung. Vieles entscheidet die Sprache. Gerade in der Region Hannover gibt es eine große Vielfalt verschiedener Ansätze: Qualifizierung zum Einstig in den Beruf.

Wie groß die Herausforderungen sind, zeigt eine Umfrage des Fachbereichs Schulen der Region Hannover. Derzeit besuchen im Rahmen der Berufsausbildung mehr als 1800 Jugendliche und junge Erwachsene mit Migrationserfahrung Berufsbildende Schulen der Region Hannover. Laut der Umfrage ist bei 1300 dieser Schüler aus Sicht der Lehrkräfte absehbar, dass ohne zusätzliche Sprachförderung die Ausbildungsziele nicht erreicht werden können. 1100 dieser Jugendlichen weisen zusätzlich weitere Bildungsdefizite auf. Man darf vermuten, dass die Umfrageergebnisse auf andere Landkreise in Niedersachsen übertragbar sind.

Wie das Statistische Bundes im August mitteilte, hatte 2018 jeder vierte in Deutschland Lebende einen Migrationshintergrund. Im Durchschnitt sind diese rund 20,8 Millionen Menschen, die selbst oder deren Eltern oder Großeltern aus den verschiedensten Gründennach Deutschland gekommen sind, jünger (35 Jahre) als ihre  Mitbürger ohne Migrationshintergrund (47). Ihnen fehlt häufiger einBerufs- oder Bildungsabschluss, und sie sind etwa doppelt so stark von Arbeitslosigkeit betroffen.

Mit Blick auf fehlende Fachkräfte gibt es hier ein großes Potenzial – wenn die Integration in den Arbeitsmarkt gelingt. Die Herausforderung ist umso größer, weil gleichzeitig insbesondere die Digitalisierung in den Unternehmen die Anforderungen an die Qualifikation steigen lässt. Derzeit arbeitet die Mehrzahl der sozialversicherungspflichtig beschäftigten Migranten in einem Beruf, der seitens der Qualifikation als Helfer- oder Fachkraftberuf klassifiziert ist, selten dagegen in einem Beruf für Höherqualifizierte, also für Spezialisten und Experten.

Gerade Zugewanderte, die noch nicht länger als fünf Jahre in Deutschland leben, müssen zunächst auf den Arbeitsmarkt vorbereitet und für ihn qualifiziert werden. Eine duale Berufsausbildung wäre so etwas wie der Königsweg. Aber die Umfrage an den Schulen in der Region Hannover hat gezeigt, dass es neben sprachlichen Defiziten auch solche in der Grundbildung gibt. Außerdem fehlen häufig Kenntnisse über die deutsche Arbeitswelt, über Berufe und Bildungswege. Hier helfen in der Regel kurze, begrenzte Maßnahmen oder Programme nicht weiter.

Dabei gibt es gerade in der Region Hannover schon zahlreiche Unterstützungsmaßnahmen, etwa bereits seit zwei Jahren eine spezielle Sprachförderung während der Einstiegsqualifikation (EQ). Die Jugendlichen in diesem Projekt arbeiten drei Tage in Praktikumsbetrieben und besuchen zwei Tage den EQ-Sprachkurs bei einem Bildungsträger. Die Kurse werden von der IHK Hannover zusammen mit der Handwerkskammer, der Region Hannover und dem Bildungsverein Hannover organisiert und aus Mitteln der sogenannten Landessprachkurse des niedersächsischen Wissenschaftsministeriums finanziert. Über die Landessprachkurse werden derzeit – als Reaktion auf den enormen Unterstützungsbedarf – auch drei Sprachförderprojekte für Auszubildende an Berufsschulen der Region finanziert.

Das von der IHK Hannover initiierte und von der Region Hannover sowie vom Jobcenter Region Hannover geförderte Projekt „INSA – Integration, Spracherwerb, Ausbildung“ integriert Sprachförderung von Beginn an in die Ausbildung. Zudem haben die Azubis mehr Zeit, weil sie in Teilzeit ausgebildet werden. Noch ein weiteres Projekt: Gerade erst hat Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der Bundesagentur für Arbeit, den Vorbildcharakter einer weiteren hannoverschen Initiative herausgestellt. Bei „Alles aus einer Hand“ arbeiten verschiedene Einrichtungen zusammen. In den vergangenen zwei Jahren haben gut 2300 Migranten die erste, so genannte Clearingphase durchlaufen. In dieser ersten Woche werden Qualifikationen und Potenziale festgestellt. Dabei geht es neben den Deutschkenntnissen auch um die jeweilige Lebenssituation. Dann folgt eine Aktivierungsphase: 1700 Teilnehmern wurde über sechs Monate, manchmal länger, Berufspraxis vermittelt, unter anderem in Berufen aus der Gastronomie, aus Handel, Lager und Logistik. Begleitet wird das durch Deutschkurse und eine umfassende Betreuung, unter anderem durch Mitarbeiter der Arbeitsagentur vor Ort. (Einen ausführlichen Beitrag lesen Sie im Webmagazin der NW: https://bit.ly/33Q0oXS)

Bedarf noch nicht gedeckt
Aber alle diese Maßnahmen decken den tatsächlichen Bedarf wohl nicht. Außerdem ist fraglich, inwieweit die flexiblen Landessprachkurse in Zukunft weiter zur Verfügung stehen. Zwar wurde im März eine Rahmenvereinbarung zur sprachlichen Förderung von Auszubildenden mit Migrationshintergrund zwischen dem Land Niedersachsen, dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sowie der Regionaldirektion Niedersachsen/Bremen der Bundesagentur für Arbeit unterzeichnet, um ergänzende sprachförderliche Angebote nach der Verordnung über die Berufsbezogene Deutschsprachförderung (DeuFöV) an die Berufsschulen zu bringen. Angestrebt wird dabei ein Sprachunterricht durch vom BAMF zugelassene Träger im Umfang von wöchentlich acht Unterrichtseinheiten, die sich auf zwei Blöcke aufteilen. Allerdings ist durch die Voraussetzungen der DeuFöV fraglich, ob solche Kurse flächendeckend  Zustande kommen: So gibt es im Einzelfall schwer zu erfüllende Anforderungen bezüglich der Teilnehmerzahl, den sprachlichen Voraussetzungen der Teilnehmer, der Vermittlungszeit sowie der Förderberechtigung. Außerdem stellt sich die Frage, wer die Koordinierung vor Ort gewährleisten soll.

Mehr als 2000 Anerkennungen ausländischer Abschlüsse
Auf der anderen Seite braucht es dringend weiterer Anstrengungen für Neuzugewanderte über 18 Jahre, die nicht von der Schulpflicht erfasst werden. Hier geht es oft vor allem darum, die erforderliche Grundbildung zu vermitteln und Schulabschlüsse möglich zu machen. Immerhin richtet sich das Projekt „Alles aus einer Hand“ gezielt an Menschen jeden Alters. Dort werden zunächst die mitgebrachten Qualifikationen erfasst. Wird ein ausländischer Berufsabschluss mitgebracht, bietet die IHK für die Anerkennungsverfahren aus ihrem Bereich einen speziellen Service zur ortsnahen Bearbeitung und Entscheidung an. Dieses Angebot der IHK Hannover gibt es schon lange: Mehr als 2000 ausländische Abschlüsse wurden seit 2012 durch die IHK bereits überprüft. In etwas mehr als der Hälfte der Fälle konnte der ausländische Abschluss sofort einem deutschen Ausbildungsberuf gleichgestellt und anerkannt werden. In den übrigen Fällen gibt die IHK konkrete Hilfestellung, welche Qualifikationen noch fehlen und wie diese durch gezielte Anpassungsqualifizierungen erworben werden können.

Gerade für ältere Zuwanderer ohne Berufsabschluss, für die eine Erstausbildung nicht mehr in Frage kommt, können auch Teilqualifikationen ein guter Weg sein, in die betriebliche Arbeitswelt einzusteigen und einen Berufsabschluss nachzuholen.

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