Im vergangenen Jahrhundert haben sich die Marktwirtschaften westlicher Prägung gegenüber Zentralplanungswirtschaften wie in der DDR oder der Sowjetunion als erfolgreicher erwiesen. Heute ist eine neuer Konkurrent am Start. Und er ist schnell.

Es ist fast auf den Tag genau 30 Jahre her, dass in Tagen unglaublicher Euphorie die Grenze innerhalb Deutschlands fiel. Es war die Absage an ein politisches, aber auch an ein ökonomisches System. Im November 1989 wurde das Ende der Zentralplanungswirtschaft eingeläutet, mit denen sozialistische Staaten seit den 20er Jahren arbeiteten. Diese Art, eine Volkswirtschaft zu organisieren, ist heute nahezu verschwunden. Als reinrassiges Beispiel gilt meistens noch Nordkorea. Das heißt aber nicht, dass es keinen Wettstreit der Wirtschaftssysteme mehr gäbe. Im Gegenteil, er ist voll entbrannt.

Um das zu verstehen, muss man sich die konkurrierenden Systeme ansehen. Was prägt eigentlich eine Marktwirtschaft? Erstens: Insbesondere das Privateigentum auch an Produktionsmitteln. Selbst Großunternehmen können einem oder wenigen Menschen gehören. Zweitens: Der Austausch und die Verteilung von Gütern jeder Art werden über Märkte geregelt. Auf Märkten kann – prinzipiell – alles gehandelt werden. Es gibt Angebot und Nachfrage, daraus bildet sich frei ein Preis – und der ist heiß: Preise sind in einer Marktwirtschaft viel mehr als nur eine Angabe, was man bezahlen muss. Preise sind das Instrument, mit dem eine Marktwirtschaft gesteuert wird. Und grundsätzlich beruht das ganze System auf freien Entscheidungen einzelner Menschen.

Auf der anderen Seite standen die Zentralverwaltungswirtschaften. Hier steuern nicht Preise, sondern staatliche Vorgaben. Erfunden wurde das in Russland nach der Oktoberrevolution von 1917. Ziel der Revolution war der Kommunismus, aber die Revolutionäre wussten, dass sie davon noch weit entfernt waren und brauchten eine Lösung für das Hier und Jetzt, den „real existierenden Sozialismus“. Wie sollten sie die Wirtschaft organisieren, wenn nicht über Märkte und Preise? Das Ergebnis: Es sollte zwar noch Privateigentum geben, aber nur eingeschränkt an Produktionsmittel. Unternehmen sollten allen gehören und vom Staat organisiert werden. Deshalb hieß die typische Unternehmensform in der DDR auch VEB, Volkseigener Betrieb. Zweitens: Preise entstanden in Zentralverwaltungswirtschaften nicht frei auf dem Markt nach Angebot und Nachfrage, sondern wurden von einem staatlichen Amt festgelegt. Wenn aber nicht Märkte und Preise regeln, was wo von wem hergestellt, ver- und gekauft wird, muss man das anders machen. Das geschah über einen detaillierten, umfassenden, staatlich ausgearbeiteten Plan, der Betrieben zum Beispiel vorgab, was sie tun sollten. Das System war ökonomisch weitaus weniger leistungsfähig als die konkurrierenden Marktwirtschaften.

Die zentral geplanten Wirtschaftssysteme, in denen höchstens ein ganz kleiner Anteil des Sozialprodukts in privaten Unternehmen entsteht, sind verschwunden. Diesen Wettlauf haben die westlich geprägten Marktwirtschaften gewonnen. Aber jetzt ist ein anderes Wirtschaftssystem am Start. Sehen wir uns diese Mischform an: Sie ist geprägt durch Privateigentum auch an Produktionsmitteln, Märkte und Orientierung an Preisen sowie unternehmerisches Streben nach Gewinn wie in einer Marktwirtschaft. Andererseits ist es in diesen Systemen der Staat, der als lenkende Instanz letztlich die Kontrolle beansprucht und Entwicklungslinien vorgibt – wie in einer Zentralverwaltungswirtschaft. China hat mit diesem Modell einer so genannten sozialistischen Marktwirtschaft in den letzten Jahren den Sprung auf Platz zwei der weltgrößten Volkswirtschaften geschafft. Privatunternehmen spielen dort eine bedeutende Rolle, und auch die Digitalisierung hat ihren Anteil: Die börsennotierte Internet-Handelsplattform Alibaba zum Beispiel ist eine private Gründung, der Konzern gehört heute zu den Top 100 der weltgrößten Unternehmen. Andererseits hat in der Volksrepublik auch die Zahl staatseigener Unternehmen wieder zugenommen. In China wird außerdem daran gearbeitet, ein sogenanntes Social-Credit-System einzuführen. Darüber wird nicht nur das Verhalten von Menschen erfasst und bewertet: Auch Unternehmen sollen, je nach Verhalten, ein positives oder negatives Rating erhalten. Konsequenz einer schlechten Bewertung könnten zum Beispiel höhere Steuern sein. Damit würde ein Instrument entstehen, Wirtschaft und Gesellschaft genauer zu lenken, als es sich die klassischen Zentralverwaltungswirtschaften erträumt hätten.

Die westlichen, liberalen Marktwirtschaften haben den Vergleich mit den in Osteuropa entstandenen Zentralplanungswirtschaft ökonomisch für sich entschieden. Vor genau 30 Jahren lieferte der Mauerfall in Deutschland ein entscheidendes Signal. Mit der sozialistischen Marktwirtschaft ist ein neuer Wettbewerber im Vergleich der Wirtschaftssysteme im Rennen.

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