Das Interesse ist groß: Mehr als 220 Unternehmen haben sich im November bei einer Veranstaltung der IHK Hannover
und der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Agentur für Arbeit über die Wege zur Gewinnung von Fachkräften aus dem Ausland informiert. Es gibt viel zu beachten, aber die IHK unterstützt.

Mehr als 100 Fachkräfte hat Umut Kus bereits nach Deutschland geholt. Sie arbeiten in einem der Restaurants der CEH Gastro GmbH in Hannover. „Es war eine der Ideen, die wir in der Coronapause hatten“, erinnert sich der Unternehmer, der unter anderem das „Wirtshaus“ in der hannoverschen Georgstraße betreibt. Er nahm Kontakt zu Berufsschulen in der Türkei auf, reiste nach Istanbul und traf dort auf gut ausgebildete und motivierte junge Erwachsene, die sich eine berufliche Zukunft in Deutschland vorstellen konnten. Deutschkenntnisse hatten zwar nur die wenigsten, aber das war für ihn kein Problem, da viele seiner Beschäftigten auch türkisch sprechen und die Abläufe in seinen Restaurants systematisiert sind. „Inzwischen sind wir wählerischer und legen mehr Wert auf Deutsch-Grundkenntnisse“, sagt Kus, der sich dafür eingesetzt hat, dass bereits in den türkischen Berufsschulen Deutsch unterrichtet wird. Das gesamte Verfahren sei aus seiner Sicht bislang gar nicht so kompliziert, allerdings müsse man einiges an Zeit einplanen. „Wichtig ist, dass sie keinen Vermittler dazwischenschalten und sie die jungen Menschen vor Ort direkt treffen“, empfiehlt der Unternehmer.

Großes Interesse der Unternehmen
Umut Kus zeigt, dass es möglich ist, Fachkräfte aus dem Ausland nach Deutschland zu holen. Und deswegen berichtet er auch bei der Veranstaltung, zu der die IHK Hannover zusammen mit der Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen der Agentur für Arbeit interessierte Unternehmen eingeladen haben. Rund hundert Menschen sind für „So finden Sie Fachkräfte im Ausland“ in den Plenarsaal der IHK gekommen und 120 weitere nehmen virtuell teil. „Das große Interesse zeigt uns, dass wir mit diesem Thema und der Bedeutung richtig liegen“, unterstrich IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt in ihrer Begrüßung.
Welch hohen Stellenwert die Zuwanderung qualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland für die Wirtschaft hat, verdeutlichte auch Johannes Pfeiffer, Vorsitzender der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit, Regionaldirektion Niedersachsen-Bremen. Wenn man das Arbeitskräfteangebot bis zum Jahr 2035 konstant halten wolle, sei Deutschland laut seinen Ausführungen auf eine Nettozuwanderung von 400 000 Menschen pro Jahr angewiesen. „Der Beschäftigungsaufbau sei in diesem Jahr fast ausschließlich Menschen mit ausländischem Pass zu verdanken“, erklärte Pfeiffer anhand einer Auswertung der Arbeitsagentur. Die Zahl der Arbeitnehmenden mit deutschem Pass sei dagegen deutlich zurückgegangen. „Die Fachkräftesicherung steht auf der politischen Agenda.“ Vor diesem Hintergrund sei auch die Neuausrichtung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zu sehen, die die Bundesregierung Anfang dieses Jahres eingeleitet hat.

Die Veränderungen des Gesetzes treten schrittweise in Kraft. So greifen seit Mitte November neue Regeln bei der Blauen Karte EU, weitere Änderungen folgen zum 1. März und 1. Juni kommenden Jahres. So müssen Ausländer, die in der IT-Branche arbeiten wollen, ab kommenden Frühjahr nicht mehr zwingend einen qualifizierten Abschluss erworben haben, wenn sie über mindestens drei Jahre Berufserfahrung verfügen. Eine ähnliche Regelung soll auch in anderen Branchen gelten, allerdings fehlen hier noch die sogenannten Anwendungshinweise, die für die Bearbeitung in den Ausländerbehörden notwendig sind. „Seit Januar entdecke ich, wenn ich mich mit dem neuen Fachkräfteeinwanderungsgesetz befasse, jeden Tag eine neue offene Frage“, sagte Dr. Holger Kolb vom Sachverständigenrat für Integration und Migration, der in einem Vortrag die Möglichkeiten zur Gewinnung von Fach- und Arbeitskräften aus Drittstaaten erklärte. Der Gesetzgeber habe bei der Ausgestaltung des Gesetzes „großen Wert auf rechtspolitische Genauigkeit gelegt und es gleichzeitig aber bis an die Grenze der Anwenderfreundlichkeit getrieben“. Es seien zahlreiche neue Prüfaufgaben geschaffen worden, bei denen fraglich sei, welche Stellen diese übernehmen sollten und wie beispielsweise die Prüfung von Berufserfahrung aus dem Ausland funktionieren solle.

IHK begleitet die Unternehmen
IHK-Hauptgeschäftsführerin Maike Bielfeldt äußerte angesichts dieses komplexen Verfahrens ihre Bedenken, dass das vom Gesetzgeber avisierte Ziel, mehr Fachkräfte aus dem Ausland zu gewinnen, so zu erreichen sei. „Ich habe Bauchschmerzen angesichts der Fülle an Bürokratie“, so Bielfeldt, die ankündigte, ihre Bedenken auch zu Gesprächen mit der Politik in Berlin mitzunehmen. Die IHK-Chefin machte den Unternehmen Mut: „Wir werden für Sie die weitere Ausgestaltung des Gesetzes genau verfolgen und Sie im Dschungel unterstützen und begleiten“, versicherte Bielfeldt.

In der Diskussion, an der sich auch einige Teilnehmende aus dem Publikum beteiligten, wurde deutlich, dass Deutschland zudem an seiner Willkommenskultur arbeiten müsse. „Die Menschen, die in unser Land zum Arbeiten kommen, müssen auch das Gefühl haben, hier gewollt zu sein – von der Einreise über die Sprache bis zur sozialen Integration“, führte Johannes Pfeiffer aus. Für die Unternehmen bedeute das dann auch, dass sie ihre neuen Mitarbeitenden etwa beim Eröffnen eines Kontos oder bei Besuchen im Bürgerbüro unterstützen müssten. Eine Pflegedienstleiterin merkte in diesem Zusammenhang kritisch an, dass auch die Anerkennung von ausländischen Führerscheinen etwas unproblematischer werden müsse. Während die Gültigkeit für Au-Pair-Mädchen einfach um sechs Monate verlängert würde, seien die Ämter bei Fachkräften aus dem Ausland deutlich weniger kulant.

Trotz mancher Hürden wollen die Unternehmen sich weiter um Fachleute aus dem Ausland bemühen. Ein Unternehmen aus der Region, das unter anderem salzige Snacks herstellt, hat beispielsweise bereits viel Erfahrung dabei gesammelt und sich in mehreren Projekten engagiert. Neben Positivem gab es allerdings auch die Erfahrung, dass ausländische Fachkräfte häufig dann doch lieber in die Großstadt weiterziehen. Aber die Firma sei trotzdem weiter offen und bemühe sich um Fach- und Arbeitskräfte erklärte die Leiterin der Human Resources des Unternehmens.

 

Aufgaben-Teilung
Eine kurze Vorstellung eines Teilnehmers der Veranstaltung: Duc Tran hat im Sommer sein eigenes Unternehmen Vinzubi UG in Leipzig gegründet. Sein Ursprungsgedanke war es, vietnamesische Fachkräfte, die bereits bei Firmen in Deutschland arbeiten, zu betreuen und zu begleiten. Inzwischen vermittelt der 32-Jährige mit abgeschlossenem Chemie-Studium aber auch Fachkräfte. So hat er erst kürzlich Vietnamesen mit einem Wolfsburger Hotel zusammengebracht. Mit der Sprachschule seiner Partnerin, die wie er auch in Deutschland aufgewachsen ist, arbeitet er eng zusammen, um einen ganzheitlichen Vermittlungsprozess inklusive Nachbetreuung anzubieten. Duc Tran sagt, dass sich viele junge Vietnamesen ein Leben in Deutschland gut vorstellen können, da es hier möglich ist, sich durch Leistung eine sichere und erfolgreiche Zukunft aufzubauen.

 

Weitere Informationen für Fachkräfte aus dem Ausland, die in Deutschland arbeiten möchten:

Auf der Seite von Make it in Germany gibt es mehr Infos zu den neuen Möglichkeiten durch die „Blaue Karte EU“

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