Nachhaltigkeit ist im Mittelstand fest verankert. Um Maßnahmen anzupacken, wollen die Unternehmen aber Planungssicherheit. Ein Hemmnis können ausgerechnet unübersichtliche Förderprogramme sein. Das zeigt eine Umfrage.

 

Nachhaltigkeit ist im Mittelstand kein Erkenntnisthema. Es klingt ein Hauch von Philosophie mit, wenn Dr. Stefan Otto das sagt. Aber gemeint ist dies: Kleine und mittlere Unternehmen sind in ihrer großen Mehrheit von der Bedeutung des Themas Nachhaltigkeit überzeugt. Das ergab eine jetzt veröffentlichte Forsa-Studie. In Auftrag gegeben wurde sie von der Commerzbank, bei der Stefan Otto als Bereichsvorstand Nord/West für Firmenkunden zuständig ist. Er stellte aus der bundesweiten Studie die Ergebnisse für Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Hamburg und Bremen vor.

Nachhaltigkeit: Ökologie – Ökonomie – Soziales

Nachhaltigkeit: Für Unternehmen bedeutet das ein Zusammenspiel aus Ökonomie, Ökologie und Sozialem. Klima- und Umweltschutz, ein achtsamer Umgang mit den Menschen im Unternehmen, der dauerhafte unternehmerische Erfolg und soziale Verantwortung sind – in dieser Reihenfolge – die Punkte, die laut Commerzbank-Umfrage im Fokus stehen.

Nahezu in jedem mittelständischen Unternehmen Thema

Die Bedeutung des Themas in den Unternehmen ergibt sich dabei nicht so sehr aus einer einzigen Zahl. Es sind vielmehr verschiedene Ergebnisse, die sich zu einem Gesamtbild zusammensetzen. Und am deutlichsten wird das in dieser Antwort: Nur für ein einziges Prozent der befragten Top-Führungskräfte spielt Nachhaltigkeit keine Rolle. Interessanterweise sehen das die gleichen Unternehmerinnen und Unternehmer beim Blick auf den Mittelstand insgesamt anders: Hier meinen deutlich mehr Führungskräfte, dass das Thema keine hohe Relevanz habe. Mit rund 20 Prozent bleiben die Antworten aber auch hier in der Minderheit.

Wachstum und Zukunftsfähigkeit

Dagegen sind über 70 Prozent der Auffassung, dass Nachhaltigkeit eine Chance für Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit ist. Und vor Corona waren sogar drei Viertel der Unternehmerinnen und Unternehmer überzeugt, Nachhaltigkeit sei wesentlich für die Zukunftsfähigkeit des Mittelstandes. Allerdings hat sich dieser Wert während der Pandemie auf 61 Prozent verringert: Die vom Virus ausgelöste Krise hat die Zukunft von Unternehmen in ganz anderer Weise in Frage gestellt.

Umfrage vor und während der Pandemie

Erstmals in der 20-jährigen Geschichte der Commerzbank-Umfrage (Titel: Unternehmerperspektiven) wurden die Unternehmen zweimal befragt. Die erste Runde mit rund 340 repräsentativ ausgewählten Unternehmen lief bis März 2020, war also von der Pandemie noch weitgehend unbeeinflusst. Von August und Oktober wurden die Ergebnisse in einer kleineren Umfrage aktualisiert. Damit zeigt sich dann so etwas wie ein Corona-Effekt.

Image und soziale Verantwortung …

Das gilt zum Beispiel für die Chancen, die Unternehmen mit Nachhaltigkeit verbinden. Neun von zehn Unternehmen erhofften sich von solchen Aktivitäten ein besseres Image und eine erhöhte Reputation. Fast ebenso viele sehen dadurch ihre soziale Verantwortung gestärkt. Damit sind auch die wichtigsten Gruppen angesprochen: Unternehmen engagieren sich für Nachhaltigkeit, um Kundinnen und Kunden zu binden, um für Arbeitskräfte attraktiver zu werden und mit Blick die Öffentlichkeit insgesamt.

… Prozesse optimieren und sparen

Ein weiteres wichtiges Ziel: Verbesserungen bei der Prozess- und Kosteneffizienz. Das passt auch zu den Maßnahmen, die in Unternehmen vor allem umgesetzt wurden. Ganz oben stehen Einsparung von Verbrauchsmaterial – typisch: Papier. Recycling, allgemein Optimierung von Arbeitsprozessen, energieeffizientes Gebäudemanagement zählen zu den Top Fünf der Nachhaltigkeitsmaßnahmen.

Nachhaltigkeitsstrategie: Noch Luft nach oben

Was die Commerzbank-Umfrage aber auch zeigt: Obwohl das Bewusstsein für Nachhaltigkeit hoch ist und mit konkreten Zielen daran gearbeitet wird, haben nur etwa 40 Prozent der mittelständischen Unternehmen bereits ein umfassende Nachhaltigkeitsstrategie. Zwar hat sich der Anteil während der Corona-Zeit sogar noch erhöht. Aber deutlich wird in den Zahlen der Commerzbank-Umfrage auch, dass bei vielen Unternehmen in den vergangenen Monaten aufgehört haben, weiter an einer solchen Strategie zu arbeiten. Dr. Hans Fabian Kruse, der als Präsident des mittelständisch orientierten AGA-Unternehmensverbandes die Studie mit vorstellte, wies auf die Herausforderungen der Pandemie hin, bei der für viele Firmen das bloße Überleben im Vordergrund stand. Außerdem betonte Kruse den mittelständischen Pragmatismus: „Nachhaltigkeit leben statt Strategien verfassen.“ Die Unternehmen allerdings, die heute bereits eine Nachhaltigkeitsstrategie haben, wollen auch weiter daran festhalten.

Hemmnis: Unübersichtliche Förderprogramme

Was die Unternehmen von Maßnahmen abhält? Vor allem, dass sie Aufwand und Ertrag nicht abschätzen können, sich da „im Nebel“ bewegen, so Stefan Otto. Und vielleicht spielt hier das an Nummer zwei gesetzte Hindernis ein Rolle: Dass die Unübersichtlichheit von Förderprogrammen Nachhaltigkeitsengagement verhindert, muss den entsprechenden Institutionen zu denken geben. Ebenso wie ein weiteres Hindernis: unsichere gesetzliche Rahmenbedingungen. Kein Wunder also, wenn unter den Erwartungen an die Politik klare Vorgaben ganz oben stehen. Unmittelbar gefolgt übrigens von verlässlichen Energiepreisen und dem Wunsch, das Verbraucher über nachhaltiges Verhalten aufgeklärt werden.

Wechselseitige Verstärkung

Die Commerzbank-Studie trägt aber nicht nur Zahlen zusammen. Sie zeigt auch, über welche Mechanismen Nachhaltigkeit in der Wirtschaft an Bedeutung gewinnt. Einerseits bekräftigte Stefan Otto seine Sicht, dass in zehn Jahren Kredite für Unternehmen nur noch zu haben seien, wenn sie nachhaltig wirtschaften. Umgekehrt erwarten schon heute drei Viertel der mittelständischen Unternehmen, dass ihre Bank nachhaltig arbeitet. Ihre eigene Kreditwürdigkeit sehen die Firmen aber noch kaum in Zusammenhang mit dem Thema Nachhaltigkeit: Hier scheint es nun doch ein Erkenntnisthema zu geben.

 

 

 

 

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